Biblische Lebenskunst in der Volkskirche (2/5): zu Hause

Als die Israeliten am Ende eines langen Weges, zu dem sie einst in Ägypten aufgebrochen war, in dem ihnen von Gott als Heimat gewährten Land ankamen, hielt Josua, als Nachfolger des Mose ihr Anführer, eine große Rede. In ihr erinnerte er an das, was hinter ihnen lag und blickte voraus auf das, was kommen würde. Er sprach vom Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hatte und verpflichtete sie erneut auf ihn. Der Kernsatz seiner Rede lautete:

 

“Wählt euch heute, wem ihr dienen wollt. Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ (Josua 24,15)

 

“Mein Haus“ meint die eigene Großfamilie, aber wie wir dürfen “mein Haus“ auch als Hinweis dafür nehmen, dass die biblische Lebenskunst (mit der wir "dem Herrn dienen") im heimischen Bereich, im privaten Umfeld, zu Hause anfängt. Der wichtigste Gottesdienst, der - bis heute - in Israel im Laufe der Jahres gefeiert wird, ist der Sederabend, mit dem das Pessachfest beginnt. Er wird zu Hause gefeiert. Auch die Christen der ersten Jahrhunderte feierten ihrer Gottesdienste zu Hause. Sie erinnerten sich dabei stets an jenen letzten Sederabend, den Jesus mit seinen Jüngern feierte und in dem er, als sein persönliches Wahrzeichen, das Brot brach und den Kelch mit Ihnen teilte und allen, die ihm folgten, den Auftrag gab, bei ihren Zusammenkünften dasselbe zu tun ("Tut dies zu meinem Gedächtnis!").

 

Auch bei uns fängt die biblische Lebenskunst zu Hause an. Dazu laden wir Freunde, Bekannte, Nachbarn oder Interessierte ein. Bei der Einladung weisen wir daraufhin, dass es sich um ein Abendessen handelt. Dieses Abendessen ist zugleich ein Gottesdienst. In diesem Gottesdienst geschieht das Gleiche, wie im Sonntagsgottesdienst: Wir rufen den Namen Gottes an, hören auf Gottes Wort, gedenken des neuen Bundes und bitten Gott um seinen Segen. Wir feiern den Gottesdienst aber so, wie es die ersten Christen in Jerusalem, Antiochien und anderswo auch getan haben, im Rahmen der Tischgemeinschaft und einer Mahlzeit. Es ist also ein privater, kein öffentlicher Gottesdienst.

 

Bevor die Gäste kommen, bereiten wir das Abendessen vor und decken liebevoll den Tisch. Es wird ein einfaches Abendessen, z. B. einen oder verschiedene Salate oder eine Suppe und Getränke. Ein Krug  und / oder Becher mit Wein und ein Korb mit Brot steht auf dem Tisch, außerdem eine noch nicht angezündete Kerze (ggf. neben anderen Kerzen, die vorher schon angezündet werden können). Eine Klangschale und eine aufgeschlagene Bibel - wie auf einem Altar in einer evangelischen Kirche - können auch daneben liegen.

 

Die Gäste treffen ein und wir begrüßen sie. Wir nehmen uns Zeit, uns gegenseitig danach zu erkundigen, wie es uns geht und auszutauschen, was uns gerade auf dem Herzen liegt oder durch den Kopf geht. Denn nehmen wir Platz am Tisch, wir zünden die Kerze an und eröffnen den Gottesdienst mit der traditionellen liturgischen Eröffnung:

 

"Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Der Friede Gottes sei mit euch".

 

Und dann sagen wir manchmal noch den Wochenspruch und beten den Wochenpsalm des letzten Sonntags. Jeder Gast hat vor sich ein Blatt mit dem Psalm und dem Predigttext, ebenfalls vom letzten Sonntag. So können wir den Psalm gemeinsam oder im Wechsel sprechen. Aber manchmal machen wir den Gottesdienst papierlos. Dann bitten wir die Tischgenossen, jede Zeile des Psalms nachzusprechen. Am Ende sagen wir, wie im Gottesdienst:

 

"Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

 

An dieser Stelle könnten wir nun ein Lied singen. Aber das lassen wir meistens weg, weil das Singen nur dann sinnvoll ist, wenn genügend Anwesende tatsächlich singen können und es Spaß macht. Auch eine andere der Tischmusik wäre hier angebracht, wenn die entsprechenden Talente vertreten sind.

 

Daran schließt sich die Betrachtung eines biblischen Textes an, meist des Predigttextes vom vergangenen Sonntag. Alle Texte finden sich übrigens im Perikopenbuch oder auf www.kirchenjahr-evangelisch.de. Wir haben uns vorher mit dem Text beschäftigt und ihn vorbereitet, aber wir halten keine Predigt. Wir machen entweder ein einfaches Bibelteilen oder wir kommen einfach so ins Gespräch. Dabei schauen wir zunächst darauf, was in dem Text wirklich drinsteht und klären, was noch geklärt werden kann. Dann hat jeder Gast die Möglichkeit zu sagen, was der Text für ihn persönlich bedeutet. Wichtig ist, dass Gespräch nicht in eine allgemeine Diskussion mündet. Es dient vielmehr dazu, dass wir unseren Glauben anhand dieses Bibeltextes miteinander teilen. Mehr als eine Viertelstunde sollte dieses Gespräch auch nicht in Anspruch nehmen, denn das Essen wartet ja, und dann ist Zeit, weiter zu reden.

 

Hier wäre jetzt Zeit für eine kurze Stille, eingeleitet und beendet mit einem Schlag auf die Klangschale. Aber auch Gesang und Musik hätten hier Platz. Beides kann man aber auch überspringen.

 

Dann kündigt einer der Anwesenden an, dass wir jetzt das Brot brechen werden. Vom "Brotbrechen" ist in der Apostelgeschichte die Rede (Apg 2,42). Es ist kein Abendmahl im kirchenrechtlichen Sinn, denn das wird im öffentlichen Gottesdienst gefeiert, d. h. das Brot kann auch ohne Anwesenheit einer ordinierten Person gebrochen werden. Das Brotbrechen wird z. B. mit dIesen Worten aus Lukas 22,7-17 eröffnet (ggf. ohne den Text in Klammern):

 

"(Es kam nun der Tag der Ungesäuerten Brote, an dem man das Passalamm opfern musste. Und er sandte Petrus und Johannes und sprach: Geht hin und bereitet uns das Passalamm, damit wir's essen. Sie aber fragten ihn: Wo willst du, dass wir's bereiten? Er sprach zu ihnen: Siehe, wenn ihr hineinkommt in die Stadt, wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Wasserkrug; folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht, und sagt zu dem Hausherrn: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist die Herberge, in der ich das Passalamm essen kann mit meinen Jüngern? Und er wird euch einen großen Saal zeigen, schön ausgelegt; dort bereitet das Mahl. Sie gingen hin und fanden's, wie er ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Passalamm.) Und als die Stunde kam, setzte er sich nieder und die Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es erfüllt wird im Reich Gottes. Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt ihn und teilt ihn unter euch; denn ich sage euch: Ich werde von nun an nicht trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt."

 

An dieser Stelle nehmen wir manchmal auch diese Verse aus der Emmausgeschichte, Lukas 24,28-31:

 

"Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.  Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn."

 

Wir weisen darauf hin, dass Jesus allen, die sich in seinem Namen versammeln, den Auftrag gegeben hat, so wie damals das Brot zu brechen und den Kelch zu teilen. Dies soll nun geschehen, im Vertrauen auf Jesu Zusage, dass er dann selbst mitten unter uns gegenwärtig ist.

 

Darauf sprechen wir gemeinsam das Vaterunser.

 

Dann nimmt einer der Anwesenden  ein Stück Brot aus dem Korb, und während er es einmal durchbricht, sagt er das Brotwort dazu:

 

"Er nahm das Brot, dankte und brach es und gab es ihnen und sprach zu ihnen: Nehmt und esst, dies ist ein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis."

 

Der Korb mit dem Brot geht herum und jeder bricht sich ein Stück davon ab und isst es.

 

Das Kelchwort und das Teilen des Kelches erfolgt erst nach der Mahlzeit, die sich jetzt anschließt. Währenddessen besteht die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, sich gegenseitig zu erzählen oder nachzufragen oder auf den Bibeltext zu sprechen zu kommen. Wir leiten die Mahlzeit mit diesen Worten (aus Psalm 106 und 104) ein:

 

"Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt."

 

Wenn alle gesättigt sind und genug Zeit zum Gespräch war, leiten wir zum Kelchwort mit Versen aus Psalm 111 über:

 

"Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR. Er gibt Speise denen, die ihn fürchten; er gedenkt auf ewig an seinen Bund. (…) Er sandte Erlösung seinem Volk und gebot, dass sein Bund ewig bleiben soll."

 

Daran schließt sich das Kelchwort an, zu dem der Kelch in die Hand genommen wird:

 

"Nach dem Mahl nahm Jesus den Kelch, dankte und gab ihnen den und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird, zu Vergebung der Sünden. Solches tut, so oft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis".

 

Danach geht der Kelch reihum und jeder kann daraus trinken (oder ein Stück des Brotes eintauchen und essen). Mit Worten des 103. Psalm leiten wir zu einer Gebetszeit über:

 

"Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit." (Daran können sich weitere Verse aus diesem Psalm anschließen.)

 

Nun kann jeder Tischgenosse eine persönliche Bitte aussprechen und dazu, wenn möglich, eine Kerze anzünden o.ä.. Mit dem aaronitischen Segen und einem Kreuzzeichen, der auch am Ende eines evangelischen Gottesdienstes steht, beenden wir die Gebetszeit und damit diesen Tischgottesdienst. Damit muss die Gemeinschaft nicht auseinandergehen. Es ist wohl noch ein bisschen Wein in der Flasche oder im Krug und auch noch Zeit, den Abend gemütlich ausklingen zu lassen.

 

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